Im Sommer 2022 traten besonders oft Brände im Nationalpark Harz. In diesem Kompakt erläutern wir die Ursachen für Waldbrände, wie die Menschen in Schierke geschützt werden müssen und was bisher gegen Waldbrände unternommen wurde.
Was sind die Ursachen für Waldbrände?
Menschliches Verhalten oder menschliche Eingriffe sind Ursachen für Waldbrände in Deutschland. Der Faktor Mensch spielt also die entscheidende Rolle für das Auslösen von Bränden. Natürliche Ursachen, wie zum Beispiel ein Waldbrand nach Blitzeinschlag, sind in Deutschland nahezu ausgeschlossen. Ein entzündbarer Wald beziehungsweise eine entzündbare Vegetation brennen wegen vorsätzlicher Brandstiftung, Fahrlässigkeit oder von Menschen ergriffenen Maßnahmen.
Beispiele durch Menschen und menschliche Eingriffe verursachte Brände:
· Menschliches Fehlverhalten (offene Feuerstellen, Grillen, glimmende Zigarettenkippen)
· Entzündung alter Munition auf Truppenübungsplätzen
· Abgestellte Autos und heiße Katalysatoren auf sehr trockener Bodenvegetation
· Schnell drehende Teile von Maschinen
· Funkenflug. Im Harz spielt die mit Kohle betriebene Harzer Schmalspurbahn (HSB) eine besondere Rolle. Gemäß einer Auswertung der Nationalparkverwaltung sind 80 Prozent der Waldbrände im Nationalpark Harz auf der sachsen-anhaltischen Seite in den vergangenen Jahren entlang der Bahnstrecke entstanden. Im Wesentlichen kommen Funkenflug, Glut und Zigaretten von Gästen der HSB für eine Brandauslösung in Frage.
Die Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage „Brandgeschehen im Harz“ von Cornelia Lüddemann bestätigt, dass Brände im Nationalpark, die besonders oft diesen Sommer auftraten, vor allem an der Strecke der Harzer Schmalspurbahn entstanden sind. Die Karte finden Sie auf die letzte Seite der kleinen Anfrage.
Dementsprechend gibt es auch beträchtliche Strafen. Für ein illegales Lagerfeuer kann bis zu 5000 Euro Strafe verhängt werden. Im Falle eines Waldbrandes kann dies sogar als Brandstiftung gewertet werden und nach §306 Strafgesetzbuch (StGB) mit bis zu zehn Jahren Haft bestraft werden.
In Sachsen-Anhalt gilt ganzjährig ein Rauchverbot im Wald. Verstöße können bis zu
25 000 Euro kosten.
Wie viele Waldbrände gibt es in Sachsen-Anhalt und wie sind sie verteilt?
MDR Sachsen-Anhalt hat eine Übersicht zu Waldbrände erstellt.
Die erste und dritte Grafik im Artikel geben eine gute Übersicht. Sie machen deutlich, dass die Waldbrände überall in Sachsen-Anhalt vorkommen und kein spezifisches Problem des Nationalpark Harz sind.
Welchen Einfluss hat die Klimakrise auf Waldbrände?
Durch die Klimakrise verursachte Trockenheit löst Brände nicht aus. Aber trockene Bäume und trockenes Totholz brennen leichter und ein Feuer kann sich schnell und umfangreich ausbreiten. Trockenheit befördert die Brandgefahr und ist die Ursache für die in letzter Zeit beobachtete Zunahme von Waldbränden und ihrer Ausmaße. Es ist davon auszugehen, dass durch die extremeren und häufigeren trockenen Hitzeperioden in Sachsen-Anhalt vermehrt Tage mit einer hohen Brandgefahr und hohen Waldbrandstufe auftreten werden (siehe Karte). Da die Klimakrise die Waldbrandgefahr verschärft, wird es umso notwendiger, die Waldbrandursachen so weit wie möglich auszuschalten. Ansonsten werden die Anzahl und die Größe der Waldbrände zunehmen. Das bedeutet, dass prioritär die von Menschen verursachten Waldbrände vermieden werden müssen.
Hier finden Sie die Veränderung der Waldbrandgefahr in Europa dargestellt.
Welchen Einfluss haben die Baumarten(vielfalt) und sonstige Vegetation auf Waldbrände?
Der Waldumbau und die Entwicklung zu einem strukturreichen, vielfältigen Mischwald sind nicht nur eine wichtige Anpassung an die Klimakrise, sondern auch eine sehr gute Prophylaxe gegen Waldbrände.
Die Zusammensetzung des Waldes hat Einfluss auf die Waldbrandgefahr, wobei die größte Brandlast nicht von den Bäumen, sondern von den Gräsern ausgeht. Hohe Fichtenbestände, wie im Nationalpark Harz, haben ebenfalls ein hohes Waldbrandrisiko aufgrund ihrer ätherischen Öle. Eine besonders hohe Waldbrandgefahr besteht zum Beispiel bei den unter 40-jährigen Kiefernreinbeständen. In Brandenburg, wo 30 Prozent aller Waldbrände in Deutschland stattfinden, kommt hierzu noch sandiger, trockener Boden und damit eine brennbare Bodenvegetation. Deshalb weist dieses Bundesland eine besonders hohe Waldbrandgefahr auf.
Das Waldbrandrisiko sinkt, wenn wir den Laubholzanteil (Ausnahme Birke) erhöhen, wo bisher fast nur Nadelhölzer stehen. Diesen Waldumbau müssen wir ohnehin machen, um unsere Wälder für die Klimakrise zu rüsten.
Fachleute empfehlen auf nährstoffarmen Böden zum Beispiel die Roteiche. Allerdings sollte sie nicht im Nationalpark Harz eingesetzt werden, weil sie dort nicht standortheimisch ist. Die Roteiche soll auch nicht flächendeckend gepflanzt werden, sondern nur um Waldbrandriegel anzulegen. Waldbrandriegel sind 100 bis 300 Meter breite Flächen, deren Bäume, Sträucher und Bodenvegetation brandhemmend sind.
Auf (nährstoff-)besseren Standorten werden Buchen oder Traubeneichen empfohlen. Zur Waldbrandvermeidung wird die Buche am besten durch den Unterbau eingebracht, um Graswuchs und Laub vom Kronenraum zu trennen. Ebenfalls geeignet für den Unterbau sind Linde, Ahorn oder Hainbuche. Auch möglich ist die Entfernung von Ästen bis vier Meter. Solange das Feuer ein Bodenfeuer bleibt und nicht den Kronenraum zu einem Vollfeuer entzündet, kann es besser bekämpft werden.
Welche Rolle spielt Totholz bei Waldbränden?
Totholz brennt nicht besser als lebende Bäume. Selbst komplett getrocknet, ist es nur „normal entflammbar“. Stehende Stämme, egal ob Totholz oder lebende Bäume, brennen wie Fackeln, während liegendes Totholz in der Breite brennt. Baumstämme entzünden sich nicht so leicht wie Reisig. Nichtsdestotrotz stellt Totholz eine Brandlast im Falle eines Waldbrandes dar, aber das gilt für die lebenden Bäume ebenso. Es gab sogar Bodenbrände im Gras, welche durch liegendes Totholz aufgehalten wurden.
Totholz ist nicht die maßgebliche Ursache, dass es im Harz leicht und umfangreich brennt. In Europa sind allein im Jahr 2022 aufgrund der extremen Trockenheit 660 000 Hektar Wald den Flammen zum Opfer gefallen, so viel wie nie zuvor.
Warum ist Totholz wichtig?
Totholz wird dringend für den Strukturreichtum und die Artenvielfalt gebraucht. Es hat einen großen ökologischen Nutzen. Liegendes Totholz dient Tieren und Pflanzen als ideales Nist-, Entwicklungs-, Nahrungs- oder Überwinterungshabitat. Totholz bremst Wind und den Abfluss von Starkregen, schützt vor Bodenerosion, verschattet den Boden, bindet Feuchtigkeit und schützt den Boden somit vor dem Austrocknen. Es dient der Humusbildung und als Feuchtigkeits- und Nährstoffspender sowie als Keimbett für junge Bäume.
Im Harz stehen auf großen Flächen abgestorbene und von Käfern bereits verlassene Fichten, die als Dürrständer bezeichnet werden. An diesen Stämmen kann Wasser kondensieren, sodass die Wurzelanläufe feuchter sind und hier gut neue Bäume wachsen können. Temperaturmessungen belegen, dass Flächen mit Dürrständern eine niedrigere Temperatur haben als Kalamitätsflächen, die komplett beräumt sind. Die Dürrständer sorgen also für eine gewisse Temperaturregulierung und die Bodenaustrocknung wird vermindert.
All diese Effekte helfen auch bei der Waldbrandprävention. Totholz befördert die Waldverjüngung und beschleunigt die Entwicklung zu einem stabilen Mischwald.
Wie kann man die Menschen in Schierke am besten schützen?
Der Schutz von Menschen und der Ortslage Schierke haben für uns oberste Priorität. Eine gezielte Totholz-Beräumung ist eine Maßnahme, um die Brandbekämpfung und Evakuierung zu ermöglichen. Wir befürworten, dass dies ständig überprüft und nachjustiert wird. Schierke hat derzeit nur eine Zufahrtsstraße, über die nicht bei jedem Brandfall die Rettung und Evakuierung der Menschen gewährleistet werden kann. Wir begrüßen deshalb, dass einer der Waldwege permanent beräumt werden wird, um als zweiter Rettungsweg zu fungieren.
Wie positionieren wir uns zur Totholzentfernung aus dem Nationalpark Harz?
Wir sehen in der großflächigen Beräumung von Totholz keine sinnvolle Maßnahme, um die Brandgefahr entscheidend zu verringern.
Selbstverständlich muss Totholz von Rettungswegen, für Zuwegungen von Feuerwehren und zum Anlegen von Brandschneisen, insbesondere dann, wenn sie dem Schutz von Siedlungen und Menschen dienen, beräumt werden. Genau das passiert bereits. Im Nationalpark Harz wird Totholz auf seinem 600 Kilometer Wanderwegenetz (in einer Breite von 20 bis 25 Meter) und an seiner Grenze beräumt.
Davon unabhängig wäre es kaum möglich, aufgrund der Topografie, der Mengen und des Arbeits- und Maschinenaufwandes großflächig das Totholz aus dem Nationalpark Harz zu entfernen.
Wie stehen wir zum Nationalpark?
Wir halten am Nationalparkgesetz fest. Wir wollen als Naturschutzstrategie den Prozessschutz mit seiner natürlichen Dynamik, sodass sich in der Kernzone grundsätzlich ohne Eingriff eine neue Wildnis entwickelt und dort die Natur Natur sein kann.
Wir wollen und brauchen den Nationalpark als ökologische Schatzkammer und Rückgrat des Artenschutzes, sowie um Erkenntnisse zur Anpassung an die Klimakrise zu gewinnen. Auch als Tourismusmagnet hat der Nationalpark Harz eine große wirtschaftliche Bedeutung.
Was wurde unter grüner Regierungsbeteiligung zwischen 2016 und 2021 in Sachsen-Anhalt zur Waldbrandbekämpfung unternommen?
Das grün geführte Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Energie hat in der letzten Legislaturperiode zwischen 2016 und 2021 folgende Maßnahmen zur Waldbrandbekämpfung auf den Weg gebracht:
· Digitale Waldbrandeinsatzkarten wurden erneuert und verbessert. Im Gegensatz zu den Nachbarländern enden diese nicht einfach an der Landesgrenze, sondern geben eine bessere Übersicht, weil sie etwas in andere Bundesländer hineinragen. Außerdem können für die Brandbekämpfung irrelevante Informationen wie Sehenswürdigkeiten ausgeblendet werden. Die Waldbrandeinsatzkarten Sachsen-Anhalts sind frei einsehbar.
In Niedersachsen sind die Karten nur für deren Feuerwehren, Waldbrandbeauftragte und Forstverwaltung einsehbar, was grenzübergreifende Einsätze erschwert.
· Die Förderrichtlinie zur Restaurierung oder Anlegung von Löschwasserteichen wurde erweitert. Zu diesem Zeitpunkt war Sachsen-Anhalt das einzige Bundesland, das dies gemacht hat.
· Mobile Löschwasserteiche wurden an die Feuerwehr in Schierke übergeben. Erst im Anschluss ist das CDU-geführte Innenministerium auch aktiv geworden, die Infrastruktur für Löschwasser zu verbessern.
· Eine Drohe mit Infrarotkamera wurde angeschafft, um Glutnester entdecken zu können.
· Totholz wurde auf dem Wegenetz des Nationalparks (etwa 600 Kilometer) im Auftrag der Nationalparkverwaltung durch externe Firmen entfernt.
Die örtliche Feuerwehr und der Nationalpark haben sich auf Rettungswege geeinigt, welche im Auftrag der Nationalparkverwaltung freigehalten werden.
Was muss jetzt getan werden?
· Waldbrandprävention muss die oberste Priorität haben. Ohne Brände muss keine riskante Brandbekämpfung erfolgen! Um Waldbrände wirksam zu verhindern, müssen die Aufklärung und Information über das richtige Verhalten im Wald verstärkt werden.
· Die durch das grün geführte Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Energie initiierten Maßnahmen der letzten Legislaturperiode müssen weitergeführt und erweitert werden.
· Niedersachsen muss dazu bewegt werden, die Waldbrandeinsatzkarten frei verfügbar zu machen.
· Es sollte geprüft werden, ob per (datensparsamen) Cell Broadcasting Menschen vor Ort gezielt über die Waldbrandstufen informiert werden können, um Fahrlässigkeit zu reduzieren.
· Die Entwicklung zum klimastabilen Mischwald muss befördert werden.
· Die Harzer Schmalspurbahn (HSB) sollte ab Waldbrandstufe 3 nicht mehr mit kohlebetriebenen Antrieben fahren. Das Rauchverbot in der HSB ist strikt durchzusetzen, gegebenenfalls mit Kamerakontrolle auf den Zugplattformen. Es braucht weiterhin eine Wärmesensorik am letzten Wagen, Wärmekontrolle entlang der Strecke, Wasserbehälter an der Strecke und so weiter. Die Sicherheitsvorkehrungen, um die Gefahr durch Funkenflug und Glut zu
minimieren, müssen bei allen Fahrten und allen Waldbrandstufen genutzt werden.
· Klare und verschlankte Verfahren zur Anforderung von Hubschraubern durch Einsatzleitungen.
· Prüfen, ob Ressourcen von Resc-EU ausreichend für die zu erwartenden Wald- und Vegetationsbrände sind. Gegebenenfalls soll eine europaweit abgestimmte Ergänzung des Netzes durch zusätzliche Stationierungen in Betracht gezogen werden. Dabei sollte Deutschland als Standort berücksichtigt werden.
· Zur Früherkennung eines Brandes sind standortspezifisch geeignete Frühwarnsysteme, wie zum Beispiel Wärmebildkameras, satellitengestützte Sensorik, Sensorik im Boden oder die Befliegung, einzusetzen. Die Brandschutzzentrale in Annaburg („IQ Fire Watch“-System) kann als Vorbild für ein systematisches und umfassendes sowie durch künstliche Intelligenz unterstütztes Maßnahmenpaket dienen.
· Wir begrüßen ausdrücklich, dass es zur Erarbeitung und Abstimmung von Maßnahmen einer effektiven Waldbrandprävention und Waldbrandbekämpfung systematische Beratungen zwischen den beiden Bundesländern Sachsen-Anhalt und Niedersachsen, dem Landkreis Harz, der Stadt Wernigerode, der Feuerwehr und der Nationalparkverwaltung gibt.