09.03.2023

Verpachten nach Gemeinwohlkriterien

Wer einen neuen landwirtschaftlichen Betrieb gründen will, findet oft kein Land und wenn doch, dann nur zu sehr hohen Pachtpreisen. Eine Lösung für dieses Problem ist das Verpachten nach Gemeinwohl-Kriterien. 

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Bei der Veranstaltung der Landtagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN am 9. März 2023 wurden verschiedene Ansätze vorgestellt.
Unsere agrarpolitische Sprecherin, Dorothea Frederking, stellte die derzeitigen Problemlage auf dem landwirtschaftlichen Bodenmarkt dar. Neben hohen Kauf- und Pachtpreisen sind sogenannte Share-Deals ein großes Problem, die erst seit einigen Jahren auftreten und gesetzlich noch nicht geregelt sind.

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Dabei kaufen kapitalkräftige Großinvestoren wie Holdings, Stiftungen, Versicherungen, Banken, Einzelhandelsunternehmen oder Möbelhäuser ganze landwirtschaftliche Betriebe oder große Anteile an diesen Betrieben. Sie erwerben somit mittelbar auch Acker- und Grünlandflächen. Regional verankerte Landwirt*innen sowie bäuerliche, kleinere und ökologisch wirtschaftende Betriebe können da nicht mithalten und gehen leer aus. Deshalb hat die grüne Landtagsfraktion bereits einen Antrag eingebracht, um solche Share-Deals gesetzlich zu regeln. Doch leider sind die Koalitionsfraktionen CDU, SPD und FDP nicht bereit, einen solchen Schritt zu gehen.

Doch wenn Städte und Gemeinden sowie Kirchen ihre Eigentumsflächen nach von ihnen selbst festgelegten Gemeinwohlkriterien verpachten, dann werden Betriebsgründungen und Weiterentwicklungen von bestehenden Betrieben für eine nachhaltige Landwirtschaft gefördert.

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Jan Brunner von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) stellte einen Kriterienkatalog zur Gemeinwohlverpachtung von kommunalen landwirtschaftlichen Flächen vor. Weiterhin hat die AbL Muster für Anträge und Anfragen auf kommunaler Ebene entworfen. Damit soll es Kommunalpolitiker*innen ermöglicht werden, sich für die Verpachtung von landwirtschaftlichen Flächen im gemeindlichen Eigentum nach Gemeinwohlkriterien einzusetzen.

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Um verantwortungsvolles Verpachten ging es auch Ralf Demmerle von der NABU-Stiftung „Fairpachten“. 
„Fairpachten“ ist das kostenlose Beratungs- und Informationsangebot für alle, die landwirtschaftliche Flächen verpachten und sich mehr Natur wünschen. Grundeigentümer*innen können sich hier darüber informieren, wie sich in Absprache mit den Landwirt*innen mehr Naturschutz auf Ackerflächen, Wiesen und Weiden umsetzen lässt. So ist es zum Beispiel möglich, eine naturschonende Bewirtschaftung ohne Pestizide oder das Anlegen von Ackerrandstreifen mit Wildblumen in Pachtverträgen zu vereinbaren.

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Jan-Felix Thon ist Vorstandsmitglied der KoLa Leipzig, einem Betrieb, der auf solidarische und ökologische Landwirtschaft setzt und die Produkte zu fairen Preisen anbietet. Er berichtete über die zweieinhalbjährige Suche der genossenschaftlich organisierten KoLa nach landwirtschaftlichen Flächen in ganz Ostdeutschland. In der Nähe von Leipzig konnten am Ende 35 Hektar Kirchenland gepachtet werden. Dort baut die KoLa nun frisches, saisonales und biologisches Gemüse an, verkauft es und strahlt positiv in die Region aus.

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Eva Imrecke ist Junglandwirtin und hat aufgrund hoher Preise mit der Existenzgründung eines landwirtschaftlichen Betriebes zu kämpfen. Es gibt kaum Beratungsangebote und finanzielle Unterstützung, die ihr dabei helfen einen Hof, der nicht ihrer Familie gehört, zu übernehmen. Doch gerade diese Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit sich mehr junge Leute entscheiden, eigene landwirtschaftliche Betriebe zu gründen oder zu übernehmen.

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Die anschließende Diskussion war Impuls zu einer spannenden und positiven Entwicklung. Vertreter*innen der Landeskirchen und die Referent*innen wollen nun im engen Austausch bleiben, um die Verpachtungskriterien der Kirchen weiterzuentwickeln. Es wurde allgemein festgestellt, dass diverse gesellschaftliche Projekte und Wünsche viel Land benötigen. Die Konkurrenz um Flächen steigt. Als ein wichtiges Lösungsbeispiel wurde die Mehrfachnutzung von Flächen identifiziert, die auf große Zustimmung traf. Beispiele für Mehrfachnutzungen sind Agri-Photovoltaik, wo auf einem Grundstück sowohl Solarenergie als auch landwirtschaftliche Produkte erzeugt werden. Oder Agroforst-Systeme, die Bäume und die landwirtschaftliche Nutzung auf einer Fläche vereinen.

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Ein weiterer Lösungsvorschlag, um das Potential für Hofnachfolgen zu nutzen, war eine bundesweite digitale Matchingplattform. Diese soll Personen, die eine Hofnachfolge suchen mit denen vernetzen, die einen landwirtschaftlichen Betrieb aufbauen wollen.

Die Veranstaltung fand im Rahmen der Reihe #LANDleben der grünen Landtagsfraktion statt. Unsere Fraktionsvorsitzende Cornelia Lüddemann wies darauf hin, dass sowohl im Grundgesetz als auch in der Landesverfassung die gleichen Lebensverhältnisse in Stadt und Land verankert sind. Sachsen-Anhalt besteht zu 97 Prozent aus ländlichen Räumen. Deshalb beleuchtet die grüne Landtagsfraktion mit sechs Veranstaltungen im Jahr 2023 die unterschiedlichen Aspekte der ländlichen Räume, von der Gesundheitsversorgung, über freiwilligen Feuerwehr bis hin zur Mobilität. Auf unserer Internetseite finden Sie die aktuellen Termine und Berichte zu den Veranstaltungen.