16.02.2024

Grüner Naturschutzkongress 2024

Am 16. Februar 2024 fand in den Frackeschen Stiftungen zu Halle (Saale) mit ca. 100 externen Teilnehmer*innen unser gemeinsamer Grüne Naturschutzkongress der Landtagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen Sachsen-Anhalt sowie der Grünen/EFA Fraktion im Europaparlament statt.

3L6A8915 WebsiteFoto: Landtagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Sachsen-Anhalt

Der ganze Tag war dem Thema gewidmet, wie das Artensterben gestoppt und Naturschutz wieder effektiver in die Fläche gebracht werden kann.

In ihrem Grußwort erwähnte Conny Lüddemann das vermutlich bekannteste bündnisgrüne Wahlplakat aller Zeiten „Wir haben die Erde von unseren Kindern nur geborgt“. Deswegen müssen wir das Artensterben stoppen, welches genauso wichtig wie die Klimakrise ist. Die Klimakrise entscheidet, wie wir leben. Die Artenkrise, ob wir leben. Dem gegenzusteuern, wurde der Naturschutzkongress organisiert. Denn während die Landesregierung bei der Klimakrise nette Rhetorik pflegt, aber keine Taten sehen lässt, findet die Biodiversitätskrise dort gar nicht statt. Im Verlauf der Veranstaltung wurde diese Ansicht durch einen Teilnehmenden bestätigt, welcher formulierte „Das, was Sie hier organisiert haben, hätte die Landesregierung machen müssen.“

3L6A8888 WebsiteGrußwort von Conny Lüddemann | Foto: Landtagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Sachsen-Anhalt

Für die Europafraktion begrüßte die ehemalige Fraktionsvorsitzende Ska Keller die Anwesenden per Videobotschaft. Sie hob hervor, mit welchem Gegenwind jeder Umsetzungsschritt des Green New Deal insbesondere das Nature Restoration Law erkämpft werden musste.

3L6A8849 WebsiteSka Keller begrüßt die Anwesenden per Videobotschaft | Foto: Landtagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Sachsen-Anhalt

Im Eröffnungsvortrag stellte Bundesumweltministerin Steffi Lemke heraus, dass Demokratiefeinde den Naturschutz angreifen, um den demokratischen Grundkonsens in Frage zu stellen. In den letzten Jahrzehnten gab es in allen demokratischen Parteien engagierte Naturschützer*innen mit denen es sich lohnt, um die Sache zu streiten. Naturschutz war auch eine zentrale Motivation für die Friedliche Revolution und heute werden Naturschützer*innen wieder bedroht. Die Menschen brauchen intakte Ökosysteme, dafür braucht es weltweiten Naturschutz, wenn schon der Weltmeteorologenverband feststellt, dass der globale Wasserhaushalt aus den Fugen geraten ist. Das Abkommen von Montreal oder das Hochseeabkommen waren dabei die hoffnungsvollsten Errungenschaften in ihrer Zeit als Ministerin.

3L6A8947 WebsiteEröffnungsvortrag von Bundesumweltministerin Steffi Lemke | Foto: Landtagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Sachsen-Anhalt

Sie mahnte, dass die Gesellschaft vor großen Veränderungen, einer Transformation, steht. Als Ostdeutsche hat sie eine solche schon mitgemacht. Aus dieser muss gelernt werden und die Menschen müssen diesmal besser einbezogen werden. Als Beispiel für eine Generationenaufgabe mit einem guten Beteiligungsprozess nannte sie die Endlagersuche für Atommüll. Bei der Umsetzung der neuen nationalen Wasserstrategie wird das auch von Nöten sein.

Für den Naturschutzkongress von besonderer Bedeutung ist auch das neue Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz (ANK). Unter schwierigen Haushaltsbedingungen konnten 3,4 Milliarden Euro gesichert werden. Die Nachfrage ist hoch und die Projekte begeistern. Ihr erklärtes Ziel ist die Verstetigung des ANK auf Bundesebene.

Als nächstes Gesetzesvorhaben arbeitet das BMUV an einem Naturflächengesetz. Denn alle Politikfelder wollen Flächen, deswegen müssen die Flächen für den Naturschutz gesichert werden. Das darf auf keinen Fall auf Kosten der Eingriffsregelung des Bundesnaturschutzgesetz gehen.

Ebenfalls in Planung sind nationale Artenhilfsprogramme, welche von der Vorgängerregierung den Bundesländern aufgeholfen wurden. 

Auf Nachfragen aus dem Publikum positionierte sich die Bundesministerin dazu, dass bei der Waldentwicklung eine Durchmischung der Bestände mittlerweile glücklicherweise Konsens ist. Ortsfremde Bäume kommen höchstens in absoluten Ausnahmefällen zum Einsatz, wenn wirklich alle anderen heimischen Arten keine Chance haben. Auch die kontrovers diskutierten LNG-Terminals wurden angesprochen. Lemke stellte heraus, dass keine Schutzstandards gesenkt wurden und zum Zeitpunkt der Planung die Terminals als notwendiges Übel gesehen wurden, nun aber durchaus die Zeit gekommen ist, um den Bedarf neu zu bewerten.

3L6A9071 WebsiteFoto: Landtagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Sachsen-Anhalt

Jutta Paulus, Mitglied des Europäischen Parlaments (MdEP), stellte in ihrer Keynote den Prozess auf europäischer Ebene vor, welcher zum Nature Restoration Law geführt hat. Ziel ist, dass auf 20% der Fläche der EU Renaturierungsmaßnahmen angestoßen werden.  Dafür müssen die Mitgliedsländer Renaturierungspläne aufstellen. Besonders hervorgehoben hat sie, dass eine intakte Natur die Grundlage für Zivilisation und Wirtschaft ist. Sie bedankte sich zudem für die vielen Zuschriften aus der Umweltbewegung an EU-Mandatsträger*innen, welche merklich die Kompromissfindung im Parlament beeinflusst haben.

3L6A9028 WebsiteKeynote von Jutta Paulus | Foto: Landtagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Sachsen-Anhalt

Axel Vogel stellt als Minister für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz des Landes Brandenburg vor, wie dort Naturschutz organisiert wird. Großschutzgebiete sind hierbei das Rückgrat. Als letztes Bundesland hat Brandenburg nun auch das Ziel, 10% Landeswald als Naturwaldfläche auszuweisen. Außerhalb der Großschutzgebiete sind die Natura-2000-Teams aktiv und werden u.a. aus dem Naturschutzfonds des Landes finanziert. Ein Kooperationsmodell wie in den Niederlanden bietet Brandenburg ebenfalls an. 

3L6A9099 WebsiteAxel Vogel, Minister für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz des Landes Brandenburg | Foto: Landtagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Sachsen-Anhalt

Direkt aus der Praxis in Sachsen-Anhalt berichtete Matthias Henniger, Geschäftsführer des Geo-Naturpark „Saale-Unstrut-Triasland“ e.V. Er betreut mit acht Personen eine Fläche von, welche dafür viel zu groß ist. Er kritisiert die Strukturen in Sachsen-Anhalt als nicht effektiv genug.  Dadurch fallen Pflichtaufgaben in die Verantwortung von Ehrenamtlichen oder werden gar nicht erledigt. Zentrale Forderung in seiner Keynote war, die Prioritäten im Naturschutz zu klären und mehr Planungssicherheit für die Akteur*innen bereitzustellen. Aktuell hangeln sich diese von Projektantrag zu Projektantrag mit Laufzeiten von wenigen Jahren. Im Prinzip braucht es aber rund 30 Jahre Planungssicherheit, damit die Arbeit auch den gewünschten Effekt erzielt.

3L6A9123 WebsiteDirekt aus der Praxis in Sachsen-Anhalt berichtete Matthias Henniger | Foto: Landtagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Sachsen-Anhalt

Jana Apel vom Landschaftspflegeverband Mittelthüringen e.V. stellte die Naturschutzstationen in Thüringen vor.  Besonders hervorzuheben ist, dass auf Grundlage der planbaren Förderung ein Vielfaches an Projektmitteln eingeworben werden konnte. Es findet also ein Kapitalfluss von höheren Ebenen in den Freistaat Thüringen statt. Einen besonderen Hinweis gab Frau Apel, dass es unsinnig sei, dass Fortbildungen in Projektförderungen im Regelfall nicht möglich sind.

3L6A9155 WebsiteJana Apel vom Landschaftspflegeverband Mittelthüringen e.V. | Foto: Landtagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Sachsen-Anhalt

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Abschlusspanel - “Vision: Wie kann Natur- und Artenschutz besser gelingen?” mit Auswertung der Workshops und Ausblick - Moderation durch Conny Lüddemann MdL

Referent*innen

  • Dr. Jan-Niclas Gesenhues, MdB und designierter Parlamentarischer Staatssekretär
  • Wolfgang Aldag MdL
  • Ralf Meyer, Landesvorsitzender BUND Sachsen-Anhalt e.V.
  • Dr. Anne Arnold, Geschäftsführerin Landesgeschäftsstelle NABU Sachsen-Anhalt
  • Prof. Dr. Sabine Tischew, Hochschule Anhalt, Fachbereich 1 - Landwirtschaft, Ökotrophologie und Landschaftsentwicklung

In der abschließenden Podiumsdiskussion wurde Dr. Jan-Niclas Gesenhues zu seinem ersten offiziellen Termin als Parlamentarischer Staatssekretär begrüßt. Es wurde appelliert, dass Förderungen möglichst geringe Eigenanteile verlangen sollten und stattdessen die Verstetigung einer soliden Finanzierung anstelle von Projektmittelabhängigkeit das Ziel sein muss. Festgehalten wurde, dass das Haushaltsrecht geändert werden müsste, um mehr von der Projektförderung zur institutionellen Förderung zu kommen.

Die Landwirtschaft muss sich auch als Biodiversitätswirtschaft verstehen und kann dann erfolgsorientiert bezahlt werden. Deswegen ist die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) für den Naturschutz von zentraler Bedeutung.

3L6A9536 WebsiteFoto: Landtagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Sachsen-Anhalt


Gegen 16.30 endete die Veranstaltung bei immer noch gut gefüllten Rängen.

Wolfgang Aldag versprach zeitnah einen Antrag ins Plenum des Landtags einzubringen, um die Landesregierung und die Koalitionsfraktionen dazu zu bewegen, sich endlich mal wieder mit dem Thema Naturschutz zu beschäftigen. Landesaufgaben dürfen nicht länger auf ehrenamtliche Schultern abgewälzt werden. Der Reformbedarf war am Ende des Tages eindrücklich bestätigt worden.