Was ist seitdem passiert?
Im Rahmen von Natura 2000 hat das Land Sachsen-Anhalt bereits 2001 und mit einer Nachmeldung 2003 diese Gebiete definiert und mit ihren Grenzen der EU-Kommission mitgeteilt. Insgesamt umfasst diese Meldung 32 Vogelschutzgebiete und 266 FFH-Gebiete mit einer Fläche von 232.000 Hektar. Das entspricht ungefähr 11 Prozent der Landesfläche.
Nach Veröffentlichung der Gebiete im Amtsblatt der EU war Sachsen-Anhalt verpflichtet, die rechtliche Sicherung dieser Schutzgebiete bis Ende 2013 vorzunehmen. 2014 hatte Sachsen-Anhalt für insgesamt 240 der ca. 300 Gebiete noch keine Schutzgebietsausweisung vorgenommen. Wir Grüne (damals in der Opposition) hatten in dieser Phase bereits mehrfach öffentlich darauf hingewiesen, dass ein Strafverfahren droht, da hierzulande die Gebiete sehr schleppend unter Schutz gestellt wurden. Da auch in anderen Bundesländern ein derartiges Defizit bestand, eröffnete die EU-Kommission 2015 ein Vertragsverletzungsverfahren wegen Nichtumsetzung der Natura 2000-Richtlinie gegen Deutschland.
Was ist jetzt geplant?
Auf Beschluss der schwarz-roten Koalition im Jahr 2014 soll es eine Landesverordnung ohne Landtagsbeteiligung geben. In dieser Legislatur vereinbarte die Regierung, dass die Verordnung im Kabinett beraten werden soll. Dann soll sie im Amtsblatt des Landesverwaltungsamtes veröffentlicht werden und damit noch dieses Jahr in Kraft treten. Denn wenn die Natura 2000-Richtlinie im Jahr 2018 nicht umgesetzt wird, sind Sachsen-Anhalt und Niedersachsen die einzigen Bundesländer, die diese Richtlinie nicht umsetzen. Es drohen Vertragsstrafen der EU, die automatisch auf die verursachenden Bundesländer umgelegt würden.
Was ist das Ziel der Landesverordnung?
Mit der Landesverordnung soll das Land Sachsen-Anhalt die Schutzgebiete rechtlich sichern. Sie stellt sicher, dass hierzulande der Arten- und Biotopschutz weiter verbessert wird. Wie bereits oben erwähnt, ist unser Land spät dran, was an den Vorgängerregierungen von CDU und SPD liegt.
Im Ergebnis liegt jetzt eine Landesverordnung vor, die einen sogenannten Grundschutz für alle Gebiete im Land Sachsen-Anhalt definiert und, wenn notwendig, Einzelregelungen trifft. In dieser Landesverordnung sind neben dem Schutzgegenstand, die Lage und Grenzen der Gebiete, der Schutzzweck, entsprechende Schutzbestimmungen sowie Erhaltungs- und Wiederherstellungsmaßnahmen festgelegt.
Die Landesverordnung ändert zudem die Zuständigkeit: In Zukunft sind die Unteren Naturschutzbehörden für die Umsetzung der Natura 2000-Richtlinie zuständig. In den ersten Jahren werden sie vom Landesverwaltungsamt (LVwA) bei der Erteilung von Ausnahmen bzw. Erlaubnissen unterstützt. Die Landesverordnung enthält auch zahlreiche Ausnahmetatbestände, die das Leben von Menschen in und mit der Natur sicherstellen. So ist zum Beispiel die Nutzung des Elberadwegs oder Kanufahren auf der Elbe, aber auch das Betreiben von Landwirtschaft geregelt weiter möglich.
Mehr Infos zu Natura 2000.
Antworten auf häufige Kritik:
„Die Grünen brechen die Natura 2000-Verordnung übers Knie“
Mit dem sich abzeichnenden Vertragsverletzungsverfahren erhöhte sich der Zeitdruck deutlich. Deswegen hat die Landesregierung von CDU und SPD im Juli 2014 beschlossen, die Sicherung der Natura 2000-Gebiete mittels einer Landesverordnung vorzunehmen. Diese Aufgabe wurde im Naturschutzgesetz definiert und dem Landesverwaltungsamt eigenverantwortlich übertragen.
„Die Landesverordnung wurde ohne Beteiligungsmöglichkeiten von oben herab durchgedrückt“
Das Landesverwaltungsamt hat daraufhin sehr frühzeitig, beginnend im Oktober 2014, in einem Vorverfahren eine umfassende Informations- und Öffentlichkeitsbeteiligung mit mehr als 1.000 Veranstaltungen vorgenommen. Einbezogen waren alle Interessens- und Berufsverbände, die anerkannten Naturschutzverbände sowie Kommunen bzw. betroffene Landesbehörden, Landkreise bis hin zu landwirtschaftlichen bzw. forstwirtschaftlichen Flächenbesitzern.
Im Juli 2016 legte dann das Landesverwaltungsamt auf Grundlage der Fachdaten (Managementpläne) des Landesamtes für Umweltschutz (LAU) einen ersten Verordnungsentwurf für eine derartige Landesverordnung vor. Nach den Diskussionen wurde dieser erste Entwurf für die Verordnung bereits geändert. Von Oktober bis Dezember 2017 wurde er in einem öffentlichen Verfahren in allen Landkreisen bzw. kreisfreien Städten öffentlich ausgelegt. In dieser Zeit hatten alle Betroffenen die Gelegenheit, Stellung zu nehmen. In diesem Verfahren gingen mehr als 3.000 Einwendungen ein, die alle einzeln vom Landesverwaltungsamt geprüft wurden.
„Die Einwendungen wurden nicht ernst genommen“
Um besonderen Nutzergruppen, wie zum Beispiel den Anglerverbänden, noch einmal entgegen zu kommen, wurde von August bis September 2018 eine zweite ergänzende Auslegung vorgenommen. Alle eingegangenen Einwendungen wurden in einem aufwendigen Verfahren durch das Landesverwaltungsamt geprüft und vor dem Hintergrund der naturschutzfachlichen und rechtlichen Notwendigkeiten bewertet.
Im Rahmen des Abwägungsprozesses wurde an vielen Stellen im Rahmen der Möglichkeiten auf Nutzerbelange bzw. Eigentümerrechte Rücksicht genommen. Insbesondere wurden die Betretungsrechte, die Erlaubnispflicht für Veranstaltungen in den Gebieten, aber auch der Bestandsschutz bereits bestehender Bebauungspläne bzw. genehmigter Anlagen deutlich erweitert. Die Landesverordnung ist aus unserer Sicht ein ausgewogenes Papier zur Sicherung der Schutzgebiete. Sie stellt damit sicher, dass auch im Land Sachsen-Anhalt der Arten- und Biotopschutz weiter verbessert wird.
„Ungenauigkeiten und Fehleinschätzungen sind nicht mehr zu reparieren“
Die Landesverordnung soll 2019 durch weitere Einzelanordnungen bzw. vertragliche Regelungen ergänzt werden.
„Die Verordnung verhindert überall die Nutzung der Flächen bzw. behindert existenzielle Infrastrukturvorhaben“
Es gibt die Möglichkeit, dass mit einer entsprechenden FFH-Verträglichkeitsprüfung auch weiterhin zwingend notwendige Infrastruktur bzw. Investitionsmaßnahmen durchgeführt werden können. Für Bewirtschafter*innen von landwirtschaftlichen Flächen, die in den Schutzgebieten besondere Auflagen erfüllen müssen, gab es bisher bereits zum Ausgleich der wirtschaftlichen Einbußen einen Natura 2000-Ausgleich. Dieser wird zukünftig auch auf die neu dazu kommenden Flächen ausgeweitet.